Universität

2009-2013
Lehrkraft für besondere Aufgaben im kulturwissenschaftlichen Studiengang Populäre Musik und Medien an der Universität Paderborn

 

Seminare (Auswahl):

Die Macht des Archivs
Als Archiv wird hier verstanden: die Masse und Vielfalt an populärer und unpopulärer, vor allem aber historischer Musik, wie sie zuerst in den 90er Jahren über die Back-Kataloge der Plattenfirmen, schließlich in den Nuller Jahren über legale und illegale Internet-Plattformen verfügbar wurde.
Die Macht des Archivs geht einher mit der Digitalisierung von Medien-Inhalten und einer flächendeckenden Verbreitung von Speicher-, Kopier- und Abspielmedien, die bekanntlich zur ökonomischen Malaise der Musikmärkte geführt haben. Erst recht wird die künstlerische Seite von der Wirkmächtigkeit des Archivs geprägt, was sich an der Praxis sample-basierter Musikproduktion ebenso zeigt wie an nicht enden wollenden Retro-Trends und Nostalgie-Wellen. Angesichts dieser Entwicklungen sprechen Kulturtheoretiker wie Mark Fisher von einer allgegenwärtigen Pop-Postmoderne, deren Symptom u.a. eine prekäre Temporalität sei: „The time is out of joint“. Konkret stellt sich dabei die Frage, ob die Macht des Archivs pop-historisches Bewusstsein und Zukunftsprojektionen begünstigt oder ob sie vielmehr einer zukunfts- und geschichtslosen Gegenwart zuarbeitet. Das Seminar erörtert ökonomische, gesellschaftliche und urheberrechtliche Konsequenzen der Digitalisierung, reflektiert ihre Diskursivierung und untersucht künstlerische Praktiken im Umgang mit dem Archiv.

 

Schlüsselwerke der Popgeschichte
In immer kürzeren Abständen veröffentlichen namhafte Musikmagazine seit einigen Jahren Listen mit den 100 oder 500 besten Alben oder Songs aller Zeiten. Auf diese Weise ensteht ein relativ dynamischer Popkanon, der Musikrezeption in Zeiten von I-Pod und anderen  Individualmenüs an der vermeintlichen Allgemeinverbindlichkeit von Werken re-orientieren will. Ausgehend von der langjährigen Wirkmächtigkeit und Gravitation bestimmter Alben oder Songs analysiert das Seminar ausgewählte musikalische „Werke“ der letzten 50 Jahre im Spiegel audio-technologischer Innovation, erforscht ihr realisiertes oder noch unrealisiertes Potenzial, erörtert ihre Rezeptionsgeschichte und Diskursivierung. Im Sinne von „pophistorischem Stellenwert“ soll vom Schlüsselwerk die Rede sein, wo Popmusik nicht nur ästhetisch vollendet gelingt, sondern mehrere Zeitebenen ineinander fließen, Technologien, Genres oder Stile antizipiert werden und Formen/Inhalte auf einen Punkt gebracht sind, der jenseits ihrer selbst liegt.

 

Rhythmus & Sound: Dub
Dub – die auf Rhythmus und Sound basierende und mythisch verklärte Klangsprache entstand um 1970 in Jamaika und ist seitdem zu einer der einflussreichsten Produktionsmethoden der Popgeschichte avanciert. Das von Produzenten und Ton-Ingenieuren wie Lee Perry, King Tubby und Errol T. Thompson popularisierte Verfahren, Reggae-Songs am Mischpult neu zu bearbeiten und dabei auf ihr rhythmisches Gerüst zu reduzieren wie um aufregende Sound-Effekte zu bereichern, gilt zudem als Mutter aller Remixe und als Paradebeispiel musikalischer Dekonstruktion. Losgelöst vom Reggae hat Dub in den letzten 35 Jahren nicht nur so unterschiedliche Stile wie Krautrock, Disco, Postpunk, HipHop, Ambient, Postrock, TripHop, Jungle, Techno und Dubstep beeinflusst, sondern auch das Sound-Design elektronischer Instrumente und die Funktionen digitaler Musiksoftwares auf die eine oder andere Weise affiziert. Ziel des Seminars ist eine Rekonstruktion der Dub-Evolution bis heute sowie eine Differenzierung ihrer Klangsprachen, Techniken und sozio-kulturellen Bedeutungsebenen.

 

Avantgarde & Pop: Soundtracks des Silver Age
Der Begriff Silver Age wurde von der renommierten Fachzeitschrift „Film Score Monthly“ geprägt und bezieht sich auf Soundtracks aus der Zeit nach 1965. Anders als im sogenannten Golden Age der 40er und 50er Jahre bezogen Soundtracks ab Mitte der 60er Jahre ihre musikalische Inspiration neben Klassik vor allem aus zeitgenössischer Popmusik, Jazz und avantgardistischen Sound-Experimenten. Insbesondere die Zeitspanne von Ende der 60er bis Ende der 70er Jahre erweist sich rückblickend als fruchtbarste Epoche der Soundtrack-Geschichte, die nicht zuletzt von Star-Regisseur Quentin Tarantino in seinen Filmen immer wieder ausgeschlachtet wird. In den Scores jener Zeit und ihrer interessantesten Komponisten (u.a. Ennio Morricone, John Barry, Goblin, Francois De Roubaix, Delia Derbyshire) findet sich fast das gesamte Spektrum an damals zeitgesössischer Musik – von Beat und Rock über Jazz, Soul, Folk, Psychedelia, Funk und Disco bis zur elektronischen Avantgarde und Neuen Musik. Das Seminar analysiert Film- und Fernsehmusiken ausgewählter Komponisten, differenziert deren Klangsprachen und Kompositionsmethoden und erörtert das Potenzial der Musik jenseits ihrer kinematographischen Funktionalisierung.

 

DJ’s, Digger, Blogger und Plattenläden
Club-Kulturen tragen nicht nur zur Popularisierung einzelner Musikstücke bei. Indem sie Stilelemente fetischisieren und dramaturgisieren, kreieren sie musikalische Ordnungen, die oftmals neue Rezeptionskulturen begründen (Northern Soul, Rare Groove, Acid Jazz u.a.). Hier sind DJ’s an allererster Stelle als Musikvermittler tätig. Auch so genannte Digger sind mit dem „Ausgraben“ vergessener, seltener, obskurer und nicht kanonisierter Musik beschäftigt, die sie häufig auf Compilations oder Blogs im Internet veröffentlichen. Ähnliches gilt auch für Musiker als Kuratoren. Wie Digger und Blogger werden sie hier als Feldforscher und musikalische Kulturarbeiter begriffen, die aktuelle Genres und Stile mit historisch aufbereitetem Material unterfüttern und dabei nicht selten deren Evolution vorantreiben. Nicht zuletzt wird in (Online-) Plattenläden eine zwar non-diskursive, unsystematische aber dennoch nachhaltige Musikvermittlung betrieben, die Kunden popmusikalisches bzw. „cooles Wissen“ auf spezifische Weise nahe bringt. Das Seminar untersucht diese speziellen Schnittstellen zwischen Musikpraxis und –vermittlung und spiegelt sie ggf. mit poptheoretischen Erkenntnissen und musikjournalistischer Aufbereitung.

 

Reggae-Kultur
Trotz internationaler Reichweite ist Reggae/Dancehall en gros im sozialen Kontext des Ghettos verankert. Hier hat sich über viele Jahrzehnte eine spezifische Kultur etabliert, die weltweite Verbreitung gefunden hat. Dabei basiert die jamaikanische Popmusik auf Eigenarten, die wesentlich von der musikalischen und diskursiven Praxis westlicher Rock- und Pop-Kulturen abweichen. Dazu zählen u.a. das Riddim-Prinzip, das Versioning-Verfahren, die Sound System- und Produzenten-Kultur, spezielle lyrische Disziplinien und spezifische Song-Inhalte. Im ersten Teil des Seminars werden die Grundprinzipien der jamaikanischen Reggae-Kultur erarbeitet. Im zweiten Teil der Veranstaltung rücken die sozialen Kontexte vor allem der deutschen Reggae-Kultur ins Blickfeld. Fragen der Aneignung sowie problematische Aspekte des Kulturtransfers stehen dabei im Mittelpunkt.

 

Subkulturelle Identitäten und Strategien
Das Seminar bietet einen historischen Abriss popkultureller Subkulturen und Identitäten. Dabei soll erhellt werden, wie subkulturelle Identitätsbildungen über Sound (Totem-Sounds, Sound-Signaturen), Stil und Mode, (Verhaltens-)Codes und Sprachregelungen, Selbstinszenierungen und Abgrenzungen zum Mainstream bzw. zu anderen Subkulturen funktioniert haben. Damit verbunden ist die Frage, ob und inwiefern die historischen Modelle noch heute Gültigkeit besitzen bzw. was an ihre Stelle getreten ist.

 

Innovation und Stagnation in der Popmusik
Die Beatles und ihre Kontrahenten brauchten kaum ein Jahrzehnt, um Popmusik zu definieren und bis an ihre Grenzen zu treiben. Im Postpunk wurden diese innerhalb weniger Jahre noch mal verschoben und umdefiniert. Auch die elektronische Dance Music der späten 80er und 90er Jahre war ganz und gar einem modernistischen Fortschritts- und Erneuerungsimpuls verschrieben. Ergo wäre Popmusik vielleicht diejenige Kultur, die sich am Deutlichsten einer postmodernen Beliebigkeit widersetzt hat und deren Wert lange anhand von Begriffen wie Innovation und Stagnation bestimmt wurde. Doch in den Nullerjahren habe sich, nach Meinung vieler Kritiker, auch die Popmusik endgültig von Zukunftsentwürfen verabschiedet und sei in eine postmoderne Stasis aus Revivals, Nachahmung und Serialität verfallen.
Woran macht sich Stagnation im postmodernen Pop fest und welche Bedingungen tragen dazu bei? Durch welche Innovationen zeichnete sich der Pop der Moderne aus? Und welche ihrer Zukunftsentwürfe könnte sich Popmusik in ihrem aktuellen Retrowahn zu eigen machen, um wieder zukunftsfähig zu werden? Oder sind Innovation und Stagnation als Kriterien heute unbrauchbar? Anhand dieser und anderer Fragestellungen untersucht und vergleicht das Seminar Stile, Genres und ästhetische Konzepte verschiedener Epochen, um abschließend zu einer fundierten Diagnose zu gelangen.

 

Popmusikgeschichte im Überblick: von den 60ern bis heute
Die Lehrveranstaltung beleuchtet die Pop-/Rockmusikhistorie von den 60er Jahren bis zur Gegenwart anhand prägender Musiker, Stile und Genres. Im Zusammenhang mit der analytischen Betrachtung ausgewählter Stilrichtungen und Plattenproduktionen werden auch konzeptuelle Innovationen und medientechnische Entwicklungen wie musikökonomische und gesellschaftliche Kontexte thematisiert.

 

Praxis des Musikjournalismus
Das Seminar versteht sich als Experiment und praxisnahe Übung. Simuliert wird die Situation des (freien) Musikjournalisten, der seine Texte und Beiträge an Redaktionen liefert, die ihrerseits über Qualität und Veröffentlichung entscheiden. Dabei übernehmen die Teilnehmer die Rolle der Autoren und der Lehrende die Position des Redakteurs. Idealiter soll dabei das gesamte Feld musikjournalistischer Arbeit dynamisch abgedeckt werden – von Thema-Entwicklung und Akquise seitens der Autoren bis zu Ablehnung, Revision oder Themenvergabe seitens der Redaktionen. Das Verfassen von Plattenkritiken, Artikeln und Interviews für die Presse sowie von Radio-Manuskripten wird eingeübt und stilistisch wie inhaltlich von anderen journalistischen Aktivitäten (Promotexte für CD’s, PR-Journalismus u.a.) differenziert. Neben fachlicher Kompetenz soll im Seminar ein Einblick in das Betätigungsfeld des Musikjournalisten vermittelt werden, das im Idealfall auch kritisch reflektiert wird.

 

Musikjournalismus der 1980er Jahre
„Rip it up and start again“ – jede popkulturelle Epoche bringt immer auch spezifische Formen und Konzepte des Schreibens sowie Paradigmen der Reflexion und Diskussion über Popmusik hervor. Besonders auffällig wird dies in den 1980er Jahren mit ihren zahlreichen neuen Genres und Stilen von Postpunk, Synthie-Pop, Modern Soul, und Indie-Rock bis zu HipHop, House und Dancehall. Die achtziger Jahre gelten auch als Dekade einer „fröhlichen Postmoderne“, in der Zitatkultur und Sampling, Retro-Trends und Neu-Kontextualisierungen nach dem Motto „anything goes“ am Rande und inmitten des Mainstreams gedeihen. Nicht zuletzt fallen in diese Dekade neben vielen wichtigen Pop-Autoren auch zahlreiche Neugründungen von Musikzeitschriften und Lifestyle-Magazinen wie The Face, Spex oder Tempo, deren publizistisches Echo z.T. bis heute nachhallt. Das Seminar untersucht musikjournalistische (und nichtmusikjournalistische) Texte über Musik von Autoren der 1980er Jahre und differenziert deren Schreibweisen, Textstrategien, Stile, Haltungen. Durch eine historische und transnationale Perspektive soll ein qualitativer Vergleich der Texte sowie ihrer popkulturellen Kontexte ermöglicht werden.

 

Musikjournalistische Gattungen I: Plattenkritiken
Ob ihrer kurzen Form und ihres ephemeren Charakters bieten CD-Rezensionen oftmals einen Einstieg in den Musikjournalismus im Printbereich. Hier kann sich ein Autor profilieren und für größere Aufgaben empfehlen. Zugleich zählt die Gattung der Plattenkritik zu den Königsdisziplinen des Metiers, kommen doch hier Information und Bewertung, elaboriertes Wissen und individueller Stil in kondensierter Form zusammen. Die Plattenkritik gilt als diskursiver Prüfstein für ein auf Tonträger veröffentlichtes musikalisches Werk. Das Seminar untersucht Plattenkritiken der letzten Jahrzehnte von ausgewählten Autoren und differenziert deren Ansätze, Methoden und Stile. Darüber hinaus soll erörtert werden, ob und inwiefern Plattenkritiken mehr sind als ein Schreiben über Musik und welche Rückschlüsse auf u.a. gesellschaftliche Horizonte sich aus ihnen gewinnen lassen.

 

Musikjournalistische Gattungen II: Artikel und Interviews
Das Seminar versteht sich als Fortsetzung der Untersuchung klassischer musikjournalistischer Gattungen im Printbereich. Nach Plattenkritiken rücken nun elaborierte Gattungen wie Artikel und Interviews ins Blickfeld. Unter „Interview“ wird dabei das ggf. von einem Vortext gerahmte, musikjournalistisch aufbereitete Gespräch mit einem Musiker verstanden. Als „Artikel“ firmieren längere Texte (Portraits, Essays, Reportagen usw.) über Musiker, Phänomene, Musikszenen, Stile, Genres oder popkulturelle relevante Orte, die durchaus Interviewpassagen beinhalten können. Das Seminar untersucht Artikel und Interviews der letzten Jahrzehnte von ausgewählten Autoren und differenziert deren Schreibweisen, Textstrategien, Stile. Durch eine historische und transnationale Perspektive soll ein qualitativer Vergleich der Texte sowie ihrer popkulturellen Kontexte ermöglicht werden.

 

Musikjournalismus in Print und Internet
Publikums- und Fachzeitschriften, Fanzines und Jugendmagazine sowie das Feuilleton der Tages- und Wochenzeitungen sind die klassischen Orte des Musikjournalismus, die in letzter  Zeit u.a. durch Blogs und Websites ergänzt wurden. Bei der Vielfalt musikjournalistischer Plattformen variieren Zielgruppenorientierung, Sprachstil, Informiertheit und Reflexionsniveau allerdings in starkem Maße – und es stellt sich die Frage, ob und inwiefern die verschiedenen Musikjournalismen überhaupt vergleichbar sind. Anhand der Lektüre und Analyse der jeweils aktuellen Ausgaben unterschiedlichster Publikationen verfolgt das Seminar u.a. folgende Fragen: Woran lässt sich guter Musikjournalismus festmachen? Was oder wer entscheidet über die Qualität eines Textes? Wie erlangt Musikjournalismus letztlich Definitionsmacht?