„Filmmucke zum Tanzen“ – Peter Fox (Originalfassung)

„Hunde, Tauben, Stadtaffen. Das Album des Lebens, 2008. Direkt aus Berlin“ – wer bei diesem Street Talk-Intro auf Peter Fox’ Debütalbum an den Jive der 11-köpfigen Spree- Kapelle mit dem Heavy-Heavy Monster Sound denkt, liegt richtig. Seeed sind nicht tot, machen nach 8-jährigem Dauereinsatz aber weiter Pause. Nach Boundzound jetzt also das zweite Solo-Album eines Seeed-Frontmanns – diesmal ist es Lead-Vokalist Pierre Baigorry, der mit Elefantentrompeten und nach R&B getakteten Hitchock-Streichern die Charts stürmen wird. Irgendwie befremdlich wirkt dabei allein der neue Künstlername: Peter Fox klingt nach einer Figur aus dem Comic-Universum Rolf Kaukas oder wie ein Mitglied einer 70er-Jahre Glam-Rock-Truppe.

Spaß beiseite. „Hunde, Tauben, Stadtaffen“ offeriert nicht weniger als ein gänzlich neues ästhetisches Konzept, bestehend aus straff rhythmisierter Orchestermusik und knackigen Timbaland-Beats. Ennio Morricone hätte seine Freude daran. „Wir haben wochenlang akustische Drums aufgenommen, außerdem kam ein komplettes Orchester zum Einsatz, denn ich wollte einen ‚klassischen’ Sound, der nicht nach einem halben Jahr wieder veraltet klingt oder nervt. Trotzdem sind die meisten Beats clubtauglich – auf keinen fall ökologisch oder dinkel-mäßig. Im Prinzip ist es Filmmucke zum Tanzen“, so die offizielle Website-Verlautbarung. Aber nicht nur soundtechnisch steigt Peter Fox (am Pult unterstützt von Monk und DJ Illvibe) auf wie Phoenix aus der Asche, die Seeed auf den Bühnen Europas hinterlassen haben. Angeführt wird das Album von der Single „Alles neu“ mit ihrer lauthalsigen Veränderung-ist-möglich-Rhetorik: „Schluss mit Larifari, ich lass all die alten Faxen sein / sollt ich je wieder kiffen, hau ich mir ne Axt ins Bein / Ich will nie mehr lügen, ich will jeden Satz auch so meinen / bereit, die Welt zu retten, auch wenn das vielleicht zu viel gewollt ist“. Ist es nicht!

Aber schon im nächsten Tune muss die optimistische Entschlossenheit einem tiefen, alltags-philosophischen Fatalismus weichen, der das ganze Album durchzieht. Von „Kotze am Kotti“ und dem „Typen, der zwischen toten Tauben pennt“ ist die Rede, und Zeilen wie „überall liegt Scheiße, man muss eigentlich schweben / jeder hat’n Hund, aber keinen zum Reden“ hätte auch ein Samy Deluxe nicht sozial-realistischer rappen können. Auf
„Der letzte Tag“ wird dann happy Apokalypse gefeiert, mit „Arschbomben-Battle am Pool“ und Dance-Instructions wie dieser: „Shake, Baby Baby, Shake / schönes Leben, schöne Welt / bis uns der Himmel auf den Kopf fällt.“ Natürlich schreien uns bei diesen Zeilen Selbstzitat (Shake, Baby, Shake = Seeed & Elephant Man) und Ironie an. Das Problem ist nur – und das gilt leider fast immer für die stumpf gewordene Waffe „Ironie“ – dass Peter Fox’ Musik tatsächlich auch neoliberalen Cocktail-Schwenkern und ihren saurauslassenden Sekretärinnen in die Hüften fahren wird, die tatsächlich nach jenem Motto leben, das Fox’ Lyrics ironisieren. Und wenn dann mit „Haus am See“ auch noch ein Neo-Sixties Soul-Stomper mit Amy Whinehouse-Appeal folgt, in dem „ironisch“ der Vorruhestand im Wohlstand herbei gesehnt wird, sind Missverständnisse vorprogrammiert.

Dass Peter Fox aber auch phantasievoller, bisweilen sogar poetisch texten kann, demonstriert er bei Stücken wie „Kopf verloren“, „Fieber“ oder „Zucker“. Hier gibt es surreale Geschichten, ein Summer-in-the-city-Song morpht zum Klimakatastrophen- Szenario, und Gender-Rollenklischees verdichten sich zu spießigen Stereotypen. Und noch eine A-Note in puncto Originalität: Gab es je ein trauriges Liebeslied, das anfing mit Zeilen wie: „Du hast gekocht, es gab Steine – die liegen jetzt in meinem Bauch.“ Was hat Peter Fox’ Musik eigentlich noch mit Reggae / Dancehall zu tun? Nun, sie mag zwar wie ein teutonisches R&B-Update daher kommen, will aber gar nicht verleugnen, dass sie in der Dancehall zur Schule gegangen ist. Und die Seeed-typische Dickehosenhaftigkeit und Berlin-als-Nabel-der-Welt-Verklärung glitzert auch hier weiter.

Riddim, 2008